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Was tun?

Wie Betriebe im Bezirk mit dem Facharbeitermangel umgehen

Die Alarmglocken schrillen, stellte Michael Gitterle, Obmann der Wirtschaftskammer Landeck, beim Neujahrsempfang der Wirtschaftskammer fest: Es ist ein eklatanter Arbeitskräftemangel im ganzen Bezirk und in den meisten Branchen zu verzeichnen. Dadurch gehe auch Wertschöpfung verloren. Die RUNDSCHAU hat ein Stimmungsbild eingeholt.
12. März 2024 | von Alois Pircher
Was tun?
Elektro Müller – ein Vorzeigebetrieb in Sachen Mitarbeiterausbildung RS-Foto: Pircher
Die Wintersaison im Tourismus, dem für den Bezirk Landeck besonders wichtigen Wirtschaftszweig, hat sich sehr stark entwickelt. Die meisten Saisonniers-Ansuchen wurden bewilligt und die offenen Stellen konnten zum großen Teil besetzt werden, ist Otmar Ladner, Geschäftsführer der WK Landeck, erfreut. Teilweise wurden die Mitarbeiter in den Tourismusbetrieben aber bis an ihre Leistungsgrenzen gefordert und eine Aufstockung der Kontingente in den kommenden Jahren wäre dringend notwendig, so Ladner. Gerhard Kubin, Leiter des Arbeitsmarktservice Landeck, hält fest, dass einerseits das Kontingent für Arbeitskräfte aus Drittländern sukzessive vergrößert wurde, anderseits aber auch Mitarbeiter aus anderen Teilen Österreichs in den Bezirk vermittelt wurden. Da im Tourismus auch Wohnmöglichkeiten angeboten werden, können Arbeitssuchende aus anderen Bundesländern ohne Probleme vermittelt werden, so Kubin. Der Arbeitsmarkt im Bezirk ist äußerst stabil, er steht aber in direkter Konkurrenz zu Ländern wie Deutschland und Schweiz. Diese Länder haben einen liberaleren Zugang für Arbeitssuchende aus Drittländern und so haben sie über kurz oder lang einen Wettbewerbsvorteil. Für das AMS gilt es die regionale Wirtschaft mit Arbeitskräften zu versorgen, um die Wertschöpfung in der Region zu halten und das Schließen von Betrieben zu verhindern. Man versuche mit kreativen Ansätzen die Wirtschaft zu unterstützen. Einer davon ist das Ausbildungszentrum für Tourismusberufe in Landeck: Damit ist es gelungen die zugegeben schwierige Situation für die Tourismusbetriebe ein wenig zu entschärfen, ist Kubin überzeugt.
 
HANDWERK. Die hohe Wertschöpfung und die daraus folgende rege Bautätigkeit im Tourismus begünstigt auch ein starkes Handwerk, ist Ladner überzeugt. Das Bau- und das Baunebengewerbe sind im Bezirk besonders stark und zudem sehr krisenresistent. Auch hier zeige sich ein besonders eklatanter Fachkräftemangel. „Unsere Hoffnung ist, eine Modifikation der ‚Rot-Weiß-Rot Card‘ politisch durchzusetzen“, meint Ladner. Die Lohnhöhe sollte nicht das Problem sein, aber der Nachweis der Qualifikation (die Anerkennung der Ausbildung im Heimatland) ist derart kompliziert und zeitaufwendig, dass potenzielle Arbeitnehmer lieber den einfachen Weg nach Deutschland oder in die Schweiz nehmen. Bei der Änderung der „Rot-Weiß-Rot Card“ sei Eile geboten, um den Arbeitsmarkt zu stärken.

WAS SAGEN DIE BETRIEBE? Tourismus. Sarah Sommavilla, Chefin des Traditionsrestaurants „Das Landegger“ in der Landecker Malser Straße, ist mit der Personalsituation in ihrem Betrieb sehr zufrieden. Alle Mitarbeiter haben eine Ausbildung und leben in der näheren Umgebung. Wenn die Bezahlung und die Arbeitszeiten passen, finde man auch im Gastgewerbe gute, engagierte Mitarbeiter, ist Sommavilla überzeugt. Christoph Schalber, als Geschäftsführer der Bergbahnen in Serfaus für das Personalwesen und die Restaurants verantwortlich, zeigt sich mit der heurigen Wintersaison sehr zufrieden. „In den Restaurants haben wir viele Mitarbeiter, die jedes Jahr zu uns kommen, und so können wir unseren Gästen den gewünscht hohen Service bieten.“ Natürlich wäre es schön, ein paar Mitarbeiter mehr zu haben, um einen Puffer bei Krankheitswellen zu haben. Die Komperdellbahn will ihren Mitarbeitern attraktive Arbeitsplätze bieten, daher gibt’s für die Restaurantmitarbeiter geregelte Arbeitszeiten, ein ansprechendes Gehalt und eine adäquate Unterbringung. Gute Personalunterkünfte seien besonders wichtig, da die meisten Mitarbeiter aus dem Ausland kommen und sich in Serfaus wohlfühlen sollen. Auch die Gesundheit und die Fitness der Mitarbeiter ist Schalber wichtig. Ein wenig diffiziler ist die Situation beim Seilbahnbetrieb, erläutert Schalber: „Wir benötigen doch zahlreiche Schlosser, Elektriker und Seilbahntechniker und obwohl wir selbst ein Ausbildungsbetrieb sind, fehlen doch immer wieder Fachkräfte. Diese in der Region zu finden ist nicht leicht.“ Ein anderes Problem sind die „typischen Liftler“: Früher waren es meist Landwirte, die sich im Winter ein Zubrot beim Lift verdient haben. Diese Gruppe gibt es so nicht mehr und man müsse sich vermehrt im Ausland umschauen. Dies ist nicht ganz einfach – aufgrund der „Kontingente“ und der vielen benötigten Personalunterkünfte.

HANDWERK. „Wir bilden unsere Fachkräfte zum großen Teil selbst aus“, erklärt Markus Müller, Chef von Elektro Müller, einem der größten Handwerksbetriebe in der Region, stolz. Bei über 180 Mitarbeitern werden derzeit 50 Lehrlinge ausgebildet. Zusätzlich zur dualen Ausbildung (Berufsschule und Baustelle oder Werkstätte) wird ihnen auch eine Lehrwerkstätte geboten. „Unsere Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital und dementsprechend investieren wir neben Geld auch viel Zeit und Erfahrung in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Erfreulicherweise ist das Interesse an Ausbildungsplätzen in unserem Betrieb in den vergangenen fünf Jahren sukzessive größer geworden“, sagt Müller. Das größte Problem seien jene Betriebe, die selbst nicht ausbilden und Fachkräfte abwerben. Eine Anpassung der „Rot-Weiß-Rot Card“ würde auch Markus Müller begrüßen, denn Handwerker erfahren in anderen Ländern auch eine gute Ausbildung. „Seien wir ehrlich – in Ägypten haben sie schon Pyramiden gebaut, als in unseren Breiten die Menschen noch in Hütten hausten“, so Müller.
Der Ofensetzer- und Fliesenlegerbetrieb Nuener in Landeck-Bruggen ist seit Längerem auf der Suche nach guten Fachkräften. „Wir haben sehr viel Arbeit, leider können wir gar nicht bei allen Anfragen ein Offert stellen. Wir finden nicht genügend kompetente, fleißige Mitarbeiter“, so Firmenchef Walter Nuener. Gerne würde er weitere Fachkräfte aufnehmen, die Bezahlung sei wirklich top (3.000 Euro netto für 40 Wochenstunden), aber anscheinend wollten viele nicht mehr hart arbeiten. „Ich will niemandem etwas vormachen, Ofensetzer und Fliesenleger ist ein harter Job“, so der leidenschaftliche Unternehmer, der sich übrigens von Mitarbeitern mittels „Rot-Weiß-Rot Card“ nicht viel verspricht.

ÖFFENTLICHE ARBEITGEBER. Weit über 100 Mitarbeiter einschließlich jenen im Alten- und Pflegeheim beschäftigt die Stadtgemeinde Land­eck. „Derzeit haben wir keinerlei Probleme beim Personalfinden“, erklärt Bgm. Herbert Mayer. Ob im Altenheim, in der Verwaltung oder am Bauhof, bei jeder ausgeschriebenen Stelle bewerben sich gut ausgebildete Fachleute. Die Situation habe sich in letzter Zeit eher noch verbessert, Jobs bei der öffentlichen Hand sind anscheinend sehr begehrt, stellt der Bürgermeister fest.

RESÜMEE. Facharbeiter sind heiß begehrt und werden zum großen Teil auch gut bezahlt. Der Spruch „Handwerk hat goldenen Boden“ hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren – dies zeigt sich auch an der Karriereplanung der Jugend: Einerseits sind die Zahlen der Lehrlinge in den vergangenen Jahren – auch demografisch bedingt – stetig zurückgegangen, anderseits ist aber die Zahl der Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen gestiegen. Die Gefahr, dass zu viele Häuptlinge ausgebildet und die Indianer fehlen werden, ist wohl nicht von der Hand zu weisen. Um die Wirtschaftskraft in unserer Region zu halten oder besser noch zu steigern, sind gute Ideen und die Zusammenarbeit aller Unternehmer, der Interessenvertreter und der Politik gefragt.
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„Das Landegger“ ist mit der Mitarbeitersituation sehr zufrieden. RS-Foto: Pircher
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Ob am Bauhof, im Altenheim oder in der Verwaltung – die Stadtgemeinde Land­eck findet derzeit bestens ausgebildete Fachkräfte. RS-Foto: Pircher

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